Vielseitiger Klang - aber natürlich - Casals Forum

21-09-2022

Die Kollegen Martijn Vercammen und Margriet Lautenbach nahmen als Akustikberater an der "Voreröffnung" des Casals-Forums im Taunus, Deutschland, teil. Anlässlich der Eröffnung des Casals Forums veranstaltet die Stiftung Kronberg Academy vom 24. September bis 3. Oktober das internationale Kronberg Festival. Künstler von Weltrang, talentierte junge Musiker und acht Orchester werden das Universum der Musik erkunden und dem Publikum einen ersten Vorgeschmack darauf geben, was es in Zukunft von dem neuen Konzertsaal zu erwarten hat.

Das neue Casals Forum wird für seine Akustik gelobt. Margriet und Martijn erzählen im folgenden Interview aus der FAZ wie sie dafür gesorgt haben, dass der Konzertsaal, der an diesem Wochenende eröffnet wird, so gut klingt.

 

 

Foto: Andreas Malkmus / Kronberg Academy
Foto: Andreas Malkmus / Kronberg Academy

 

Sie konnten Hand in Hand mit dem Architekten Volker Staab arbeiten. Sind dies außergewöhnliche Umstände für Akustiker?

Martijn: Es gibt zwei Modelle des Arbeitens. Im einen Fall ist der Akustiker ein Subunternehmer des Architekten, im anderen Fall untersteht der Akustiker direkt dem Bauherrn auf gleicher Augenhöhe mit dem Architekten und ist dann ein stärkerer Partner im Planungsteam. Die zweite Möglichkeit ist die, die Kronberg hier angewandt hat. Das kommt uns entgegen, denn man muss in der Lage sein, akustische Fragen, die sich direkt auf die Geometrie des Raumes auswirken, miteinander zu besprechen. Akustik und Design sind so eng miteinander verbunden, dass Architekt und Akustiker immer Hand in Hand arbeiten sollten.

Mussten Sie in der Architektur korrigierende Maßnahmen ergreifen?

Margriet: Der Entwurf, mit dem Volker Staab den Wettbewerb gewann, wäre eine ganz andere Halle gewesen als die, die jetzt gebaut wird. Es wurde während des Entwurfsprozesses viel höher und hat jetzt viel mehr Wände, also mehr Raumvolumen und mehr Reflexionsflächen. Wir brauchten mehr konvexe Flächen, die der Architekt mit konkaven Flächen verbunden hat, was superschön aussieht.

Martijn: Natürlich strebt der Architekt einen Raum an, in dem jeder die Bühne gut sehen kann. Aber wenn jeder die Bühne gut sehen kann, fehlen die Wände, die man für eine gute Klangentwicklung braucht.

Margriet: Unser Ziel ist es immer, ein natürliches Dolby-Surround-System zu bauen. Dafür brauchen wir Reflexionen. Die Menschen haben ihre Ohren an den Seiten. Genau dort brauchen wir reflektierende Oberflächen. Die Überlegungen sollten nicht nur von oben kommen.

Welche Wünsche sind für diesen Saal formuliert worden?

Martijn: Der Bau eines Saals für ein philharmonisches Orchester ist relativ einfach, weil der musikalisch-akustische Zweck und die Größe des Ensembles klar sind. Das ist viel komplizierter. Kammermusik reicht von einem einzelnen Solisten bis zu Orchestern mit fast fünfzig Musikern. Diese Reichweite ist enorm. Eigentlich braucht man dafür mehrere Hallen, aber wir mussten es in einer Halle zusammenfassen.

Margriet: Wir haben lange über die Größe des Ensembles diskutiert und nach Kerngrößen gefragt. Es ging um die Frage: Sollen wir uns auf ein bestimmtes Spektrum konzentrieren und Raum für Randbereiche lassen? Wo liegen die Schwerpunkte?

Martijn: Für Solisten sollte der Saal ein Kraftwerk sein. Es ist auch für Akademiestudenten gedacht, die große Solisten werden wollen. Dies steht im Widerspruch zu dem Wunsch, für ein großes Orchester zu bauen. Unsere Vorschläge für die Form und das Volumen der Halle basierten auf dieser Grundlage. Aber wir haben auch Möglichkeiten für eine gewisse Variabilität geschaffen.

Unter der Decke befinden sich an den Wänden Faltwandpaneele. Welche Auswirkungen haben sie?

Martijn: Neben den Faltpaneelen, die die Wand öffnen oder schließen, gibt es auch drehbare Paneele mit unterschiedlichen Oberflächen. Sie haben eine reflektierende und eine absorbierende Seite, die man mit den Augen kaum unterscheiden kann.

Margriet: Auf diese Weise können sie die Nachhallzeit und die Lautstärke im Raum beeinflussen, ohne größere visuelle Veränderungen vorzunehmen. Die Möglichkeit, die Lautstärke zu beeinflussen, ist oft noch wichtiger als die Nachhallzeit. Die Spektralkomponenten des Klangs sollten davon jedoch unberührt bleiben.

Wie würden Sie die akustischen Unterschiede zwischen diesem Saal und einem Orchester- oder Opernsaal beschreiben?

Margriet: Die Anforderungen an die Variabilität sind größer. Und die Solisten brauchen mehr Intimität. Das Publikum muss nahe am Klang sein, um ihn im Detail zu hören.

Martijn: Wo auch immer du im Saal sitzt: Du musst das Gefühl haben, dass du den Musiker berühren könntest, wenn du deine Augen schließt.

Haben Sie mit Modellen gearbeitet?

Margriet: Ja, mit verschiedenen Modellen. Wir beginnen mit einem mathematischen Modell, dann folgt eine 3-D-Simulation und schließlich ein maßstabsgetreues Modell. Wir verwenden immer alle drei gleichzeitig für unsere Forschung. Das maßstabsgetreue Modell wird im Verhältnis eins zu zehn gebaut. Außerdem haben wir akustische Messungen durchgeführt.

Martijn: Als die Halle noch im Bau war, haben wir bereits akustische Messungen vorgenommen. Der Grad der Übereinstimmung mit unseren Modellmessungen war sehr beruhigend. Aber nach der ersten Hörprobe waren wir sehr erleichtert.

Der Saal hat zwölf kleine Klangsegel an der Decke. Weshalb?

Margriet: Wir brauchten die Deckenhöhe für die Akustik des Publikums, aber für die Musiker auf der Bühne wäre die Deckenreflexion zu weit weg gewesen. Sie brauchen die Klangsegel, um sich selbst besser zu hören.

Stimmt es, dass sich unter der Bühne Luft befindet?

Martijn: Wir brauchten eine ganz leichte Bühne. Dabei geht es nicht um die Luft unter dem Boden, sondern darum, dass dieser leichte Boden durch einen Kontrabass oder ein Cello in Schwingung versetzt werden kann und somit den Klang besser abstrahlt. Es ist Holz, aber nicht Holz auf Beton, es ist Holz auf Luft. Aber es gibt keinen Hohlraum unter der Bühne.

Wie oft machen Sie eine solche Halle?

Martijn: Jeden dieser Säle macht man nur einmal im Leben.

Margriet: Solche Säle sind nicht wie ein Auto, das man sich aus einem Katalog auswählen kann. Jeder Saal ist einzigartig. Bei solch einem Bau fängt man immer bei null an. Unsere Arbeit besteht hauptsächlich darin, unseren Auftraggebern zuzuhören, wie sie über Musik sprechen.

Martijn: Wir übersetzen sprachliche Metaphern über Klang in akustische Daten und übertragen sie gemeinsam mit dem Architekten in eine Geometrie, so dass der Klang, den die Metaphern beabsichtigen, entsteht.

Das Interview wurde von Jan Brachmann geführt.

Ein "Moment der Wahrheit":
Wie hört sich der neue Konzertsaal im Casals-Forum an?